Eine Baulücke als Wohnzimmer für die Nachbarschaft

„Lückenfülle“ steht in großen goldenen Lettern an der Brandwand in der Rottmannstraße in München. Die Lückenfülle ist eine Baulücke in der Münchner Maxvorstadt, die von vier Architekturstudenten der TU München gemeinschaftlich aufgeräumt und mit Elementen wie Sitztribünen oder einem Heißluftballon als Regen- und Sonnenschutz von Juni bis Anfang September 2016 bespielt wurde. Wenn man die vier fragt was die Lücke ist, antworten sie:  ein städtisches Wohnzimmer in dem der informelle und der interkulturelle Austausch untereinander gefördert werden will.

Wie alles begann – Münchens Bedürfnis nach Freiräumen.

Entstanden ist die Lücke als Bachelorprojekt der vier Studenten Leila, Nick, Maria und Sophie. Durch Zufall sind die vier im Mai an den Ort gekommen. Ein Baubanner verriet ihnen den Eigentümer, eine Ideenskizze wurde ausgearbeitet und der Investor kontaktiert. Vier Wochen später kam es bereits zum ersten persönlichen Treffen, weitere vier Wochen später gab es die erste Veranstaltung die bewusst mit dem örtlichen Straßenfest zusammengelegt wurde, um von Beginn an die Nachbarschaft miteinzubeziehen und kennenzulernen.

„Als das alte Haus abgerissen wurde waren alle Nachbarn sauer, mit der Brache wurde nichts gutes verbunden, heute freuen sich alle, dass es die Lücke gibt und sich ein Treffpunkt im Viertel herausgebildet hat.“ (Nick)

Was passiert in der Lücke?

Ein Schild zur Straße informiert über das wöchentliche Programm: Von Yoga, über Lesungen, Diskussionsabenden und Konzerten ist für alle was dabei. Eine Wunschbox lädt dazu ein, eigene Ideen abzugeben und eine Kontaktemail eröffnet auch dritten den Raum für eigene Aktivierungsideen. Mit den Nachbarn sind die Aktiven per Du, es gibt sogar eine Absprache um an Strom zu kommen und an Bautagen konnte es schon mal vorkommen, dass die Mitarbeiter des indischen Restaurants gegenüber ein Tablett voller Erfrischungsgetränke vorbeibrachten. Im Gegenzug achteten die vier Stadtmacher stets auf das Wohlbefinden der Nachbarschaft. Bei Veranstaltungen wurde die Musik spätestens um 22:00 Uhr abgestellt, ein offen zugänglich aufgestellter Kühlschrank voll Bier mitsamt Bierkasse auf Spendenbasis lud zum Verweilen ein. Der Fokus lag stets auf dem informellen, denn nur so, da sind die vier überzeugt, haben die Leute weniger Berührungsängste wie in einem perfekt durchgetakteten Projekt.

„Alles bei uns wirkt spontan und improvisiert, was dazu führt, dass die Leute keine Hemmungen haben einfach hinzu zu kommen.“ (Nick)

Schnell kamen auch die verschiedensten Initiativen und Gruppen mit Raumproblemen auf die vier zu, froh darüber endlich einen Ort gefunden zu haben um einfach und direkt ihre Ideen verwirklichen zu können und sich auszuprobieren. Im dichten und teuren München sind derartige offene Räume sperrlich gesäät und auf die vier Macher wirkt es geradezu so als hätte die gesamte Stadt auf einen solchen Experimentierraum gewartet.  So auch  Monnier von „Mehr Stadtraum“ ist sofort mit aufgesprungen und hat die Gruppe tatkräftig unterstützt und Veranstaltungen in der Lücke organisiert.

„Durch die Öffnung des Raumes und das „Nicht-Programm“ bleibt Raum für Aneignung und Engagement für dritte.“ (Leila)

Recycling wird groß geschrieben in der Lücke und aus der Not eine Tugend gemacht. Zu Beginn war der Raum voller Ziegel, so dass er eigentlich nicht betreten werden konnte.  Mittels Spitzhacke wurden die Steine zerkleinert und dienen der Lücke heute als Untergrund und Farbgeber. Um an Essen für die Veranstaltungen zu kommen wurde mit dem Münchner Foodsharing Team eine Kooperation eingegangen.

Wo der Hammer hängt – Bauen und die Sicherheit

Die Sicherheit wurde von Beginn an sehr ernst genommen: Jede neue Idee wurde vor Beginn der Umsetzung auf mögliche Risiken untersucht und gemeinsam überlegt was man präventiv unternehmen kann. Zudem haben die Initiatoren um keine Baugenehmigung einholen zu müssen oder Probleme mit dem Amt zu bekommen strikt den Rat ihres Baurechtprofessors befolgt: kein Fundament, kein Dach, nichts über 5 m Höhe und alles was gebaut wird sollte sicher sein und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Verkehrssicherungspflicht und Haftung:

Im Rahmen der Bachelorphase und dem offiziellen Veranstaltungen zu Beginn hatte die Universität eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Danach befand sich das Projekt in einer Grauzone. Der Bauträger hatte die Verkehrssicherungspflicht vertraglich an einen Sicherheitsdienst übergeben, der die Brache ursprünglich mit einem Bauzaun abgesperrt hatte. Ein Kontakt wurde hergestellt und Absprachen getroffen, dennoch war die rechtliche Situation bis zum Ende nicht klar geregelt.

Der Kontakt mit dem Bauträger:

Das Projekt Lückenfülle endete Mitte September, da in Naher Zukunft die Brache bebaut werden soll – bis dahin war der Raum den Studenten sicher. „Ihr könnt alles machen, so lange ihr niemanden stört.“. Eine schriftliche Vereinbarung, auch auf mehrmaliges Nachfragen hin gab es nicht. Ursprünglich war der Baubeginn des neuen Wohnhauses Anfang September geplant, bis jetzt hat sich aber noch nichts getan. Es könnte durchaus sein, dass die Lücke noch länger eine bauliche Lücke bleibt. Die Stadtmacher hoffen aber natürlich, dass sie durch die temporäre bauliche Füllung andere Lücken, wie zum Beispiel im sozialen Stadtgefüge, permanent gefüllt haben.

Die Rolle der Stadt:

Da es sich um eine private Brachfläche handelt, nichts abnahmefähiges gebaut wurde, Lärmschutz und

Schankbestimmungen eingehalten wurden gab es keine unbedingten Berührungen mit der Stadt. Nachdem der Bezirksausschuss nach dem Start des Projektes auf die Lücke aufmerksam geworden ist möchte dieser gerne unterstützen. Da auf Verwaltungsebene Gelder mindestens sechs Wochen im Voraus und nicht im Nachgang heraus gegeben werden dürfen – kam keine Förderung – trotz des Willens auf allen Seiten zustande. Für solch ein spontanes Zwischennutzungsprojekt mit einer extrem kurzen und undefinierten Laufzeit waren und sind 6 Wochen durchaus zu lange. Als ein Graffitikünstler die angrenzende Brandwand bemalen mochte, konnte die Stadt wiederum kurzfristig das Geld für die Hebebühne bereit stellen, da es im Münchner Kulturreferat in der Abteilung Urbane Kulturen Gelder für Graffiti Support bereitgestellt wurden die kurzfristig zugänglich sind.

Finanzierung:

Es wurde zu Beginn des Projektes ein Sponsoring Dossier an über 100 potenzielle Sponsoren geschickt, am Ende gibt es eine Zusage von dreien  (Palettensponsoring, Heißluftballon, Holzsponsoring), sowie eine finanzielle Zusage in Höhe von 1000 € durch die Hans-Sauer Stiftung

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Hier gibt es noch einen Artikel im Baumeister

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