Von einer Zwischennutzung zum etablierten Kreativzentrum

Das Immovielien-Projekt ALTE MU bespielt in Kiel die ehemalige Liegenschaft der Muthesius Kunsthochschule und bietet Raum für Kunst, Kultur und Kreativität auf knapp 8000 m2 Grundstücksfläche. Es steht für die Vision eines Kreativen Dorfs als Fusion aus Arbeiten, Wohnen, Leben und Bildung mitten in der Stadt Kiel. In diesem Fall als „(M) Utopie“ – als Dorf in der Stadt, das in der Kombination von Wohnen, Arbeit, Bildung, Kunst und Kultur einen Ort für Begegnungen schafft. Die ALTE MU hat bewiesen, dass es möglich ist, ohne große finanzielle Mittel mit einem hohen Maß an Engagement, mit den richtigen Werten und gemeinwohlorientierten Zielen ein offener Ort zu sein, an dem Innovationen und Veränderungen gelebt werden.

Wie alles begann – Erste Impulse und Schritte zur Aneignung des Ortes

Die Muthesius Kunsthochschule (MKH) hat im Jahr 2012 ihre Gebäude am Lorentzendamm zum großen Teil verlassen. Die Räume wurden teilweise weiterhin von Studierenden der MKH genutzt. Als eine Gruppe von jungen Menschen einen Raum für Kiels erste Stadtimkerei (Kieler Honig) suchte, bekamen sie die Möglichkeit Räume der leerstehenden Kunsthochschule informell zu nutzen. Die ursprüngliche Anfrage an die Verwaltung der Kunsthochschule war, ob ein Bienenstock auf das Dach gestellt werden könne und ob es Platz für das Schleudern des Honigs gäbe.

„Letztendlich ist es auch dem Kanzler der Kunsthochschule zu verdanken, der damals den Mut und die Offenheit hatte einfach ‚Ja‘ zu sagen“ (Friederike Kopp, ALTE MU Impuls – Werk e.V.)

Weil die Honigleute kommunikative Menschen waren, haben schnell viele andere von der Möglichkeit erfahren. So zogen nach und nach weitere Projekte, wie Goldeimer (Komposttoiletten) oder die WerkStattKonsum (offene Holzwerkstatt) in den verbleibenden Leerstand ein und erste einzelne Mietverträge für die Zwischennutzung wurden mit der MKH geschlossen. Eine Nutzungsänderung war nur für einzelne Räume (u.a. Gastronomie) nötig, da die Gebäude durch die ursprüngliche Nutzung als Kunsthochschule ja bereits für Lehre und Bildung und künstlerisches Arbeiten zugelassen waren.

Wie hat sich das alles weiterentwickelt?

In den ersten Monaten arbeiteten die ansässigen Akteure eher nebeneinander her und verständigten sich lediglich auf informeller Ebene. Um die vorhandenen kreativen Synergien zu stärken und einen Austausch zu forcieren, wurde ein demokratisches Forum geschaffen. Am 10. September 2014 wurde zum ersten Plenum geladen, welches seitdem fortlaufend alle zwei Wochen stattfindet. Der Startschuss für das Gemeinschaftsprojekt ALTE MU. Für eine weitere Verstetigung und als nächsten Schritt zur Realisierung der Vision des kreativen Dorfs in der Stadt wurde am 28. Juli 2015 der ALTE MU Impuls-Werk e.V. gegründet. In diesem sind alle Projekte, Initiativen, Kunstschaffende und Vereine, die in der ALTEN MU angesiedelt sind, Mitglied.

Mit Aktionismus zum Erfolg

Als es 2015 hieß, das Gelände solle geräumt werden, schaffte es die ALTE MU durch Verbreitung und Bewerbung des Projektes und einer stillen Besetzung: Eine öffentlichkeitswirksame Aktion während der Besetzung war, ein Bauschild mit der Vision an der Straße anzubringen, auf dem der Verein als Bauherr bezeichnet wurde – alles im Rahmen einer künstlerischen Installation mit einem Baucontainer. Von da an stellte das Projekt niemand mehr öffentlich infrage.

„Die entscheidenden Schritte waren, dass es Leute gab, die sehr gute Lobbyarbeit gemacht haben und Zeit und Muße hatten sich mit allen Menschen aus der Kommunalpolitik wieder und wieder zu treffen und die Ziele des Projektes zu kommunizieren.“ (Friederike Kopp, ALTE MU Impuls – Werk e.V.)

Letztendlich schafften sie es, die Stadt und das Land von der Zukunftsfähigkeit des Projektes zu überzeugen: Der Verbleib der ALTEN MU wurde sogar im Koalitionsvertrag des Landes festgehalten und die Alte Mu zum Pilotprojekt der Stadt ernannt.

Eine gelungene Kooperation zwischen Stadt und Stadtmachern

Inzwischen wird das Projekt von der Stadt Kiel gefördert. Im Dezember 2019 unterzeichneten die Stadt Kiel und das Land Schleswig-Holstein eine Zielvereinbarung über die Entwicklung der ALTEN MU, in der die Rahmenbedingungen für die Nutzung der Liegenschaft, die zuvor mit Vertreterinnen und Vertretern der ALTEN MU verhandelt wurden, festgehalten sind.

Seit Oktober 2020 wird eine Machbarkeitsstudie mit Unterstützung des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein durchgeführt. Diese dient dabei dazu dieses Konzept zu beweisen, die wirtschaftlichen und rechtlichen Details auszuarbeiten und ein funktionierendes Modell zu entwickeln, um den Kreativen auf der Liegenschaft eine langfristige Perspektive zu bieten. Die „Urbane Impulse GmbH“ wurde 2019 zur baulichen Abwicklung und als mögliche Erbbaurechtsnehmerin gegründet. Nach einem Abwägungsprozess soll nun aber das Erbbaurecht direkt durch die zu gründende Genossenschaft genommen werden.

Und wie finanziert sich das Ganze?

Nach langen Verhandlungen konnte im Sommer 2016 ein Unternutzungsvertrag mit der Stadt Kiel und dem Land Schleswig-Holstein geschlossen werden, der beinhaltet, dass nur die Betriebskosten von der ALTEN MU selbst gezahlt werden müssen. Der Brandschutz wurde 2018 auf eigene Kosten erneuert.

Die laufenden Kosten werden über die Mitgliedsbeiträge im Verein, Spenden und Mieteinnahmen selbst getragen. Die Miete wird über gestaffelte, solidarische Betriebs- und Nebenkostenberechnungen eingenommen: Non Profit (Künstler*innen & Initiativen), Start-up (Jungunternehmen bis 3 Jahre) sowie Profit (etablierte und geförderte Projekte) zahlen unterschiedlich viel.

Ausblick: So soll es weitergehen

2021 soll ein Erbbaurechtsvertrag mit dem Land Schleswig-Holstein geschlossen werden. Zu diesem Zweck wird von den ortsansässigen Projekten und Vereinsmitgliedern des ALTE MU Impuls-Werk e.V. eine Genossenschaft für Wohnen und Arbeiten gegründet. Das Modell der Genossenschaft gibt dabei allen Beteiligten die Möglichkeit beständig an der Entwicklung des Projektes ALTE MU mitzuwirken und eröffnet zugleich unterschiedlichste Wege für externe Unterstützende sich einzubringen. Nach der Sanierung und dem Umbau der vorhandenen Gebäude am Lorentzendamm soll die ALTE MU eG ihren Mitgliedern und allen Bürgerinnen und Bürgern Kiels Raum für gemeinschaftliches Leben und Arbeiten – zum Wohnen & Wirken – dienen.

 

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info@altemu.de
team@urbane-impulse.de